Mitarbeiterin: N. N.
Kurzbeschreibung:
Bis in die 1960er Jahre herrschte die Forschungsmeinung vor, dass die Sklaverei mit dem Untergang des Römischen Reiches verschwunden oder in anderen Abhängigkeitsformen aufgegangen sei. Tatsächlich erreichte der Sklavenhandel im Mittelmeerraum im 12. und 13. Jh. sogar seinen Höhepunkt und kann als infrastrukturelles Bindeglied zum Kolonialisierungsprozess der Frühen Neuzeit angesehen werden. Trotz neuerer Forschungsansätze bestehen weiterhin Desiderate. Fast durchgängig wird die Sklaventerminologie in der Forschungsliteratur außer Acht gelassen, der Fokus richtete sich bisher vornehmlich auf die Bereiche Geschichte, Rechtsgeschichte und Philosophie und war somit hauptsächlich wirtschafts- und sozialge-schichtlich sowie ideen- und kulturgeschichtlich orientiert. Die Theologiegeschichte blieb weitgehend unberücksichtigt.
Die Rezeption des Römischen Rechts im 12. Jh. ging einher mit der Erneuerung der Sklaverei. Zeitgleich entstand auf kirchlicher Seite die Kanonistik. Das im Jahr 1140 vollendete Decretum Gratiani - mit annähernd 4000 capitula - bildete bis 1917 den ersten Teil des Corpus Iuris Canonici und stand gleichberechtigt der Legistik des Römischen Rechts gegenüber. Bisher wurde das Decretum Gratiani nur rechtsgeschichtlich ausgewertet und nicht bezüglich der Sklavereithematik. Dass sich eine Auswertung in theologiegeschichtlicher Perspektive lohnt, zeigte sich bereits bei einer ersten Sichtung der zugehörigen Wortkonkordanz, in der sich mindestens 500 Stellen zu den gängigen Termini zur Sklaverei finden lassen.
Als einer der theologiegeschichtlich wichtigsten Denker des Mittelalters prägte Thomas von Aquin mit seinen Werken der Hochscholastik die Theologie und Philosophie der Kirche in seiner Zeit und über seinen Tod hinaus. In der Forschung wurde Thomas weitgehend bezüglich der Epoche der Scholastik, der Kirchenväter, seiner Philosophie und seiner Rolle bei Konzilien untersucht. Zwar wurde auch seine Position zu Aristoteles in den Blick genommen, jedoch auf die Frage reduziert, inwiefern Thomas das aristotelische Konzept einer "Sklaverei von Natur aus" rezipierte. In der Jahrhunderte später zu beobachtenden Aristoteles-Renaissance wurde ihm ein maßgeblicher Einfluss für die rassistische Begründung der Sklaverei zugesprochen. Diese These muss grundsätzlich überprüft werden, indem die Positionen von Aristoteles und Thomas auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht werden. Eine Analyse seiner Position zur Sklaverei erfolgt anhand der Summa theologica - unter Berücksichtigung seiner Interpretation der Heiligen Schrift, der Kirchenväter, der postulierten vierfachen Ordnung in einem Volk und des Zusammenhangs von sozialer Ordnung und Sünde.